Bei Hinderling Volkart diskutierten wir zum Thema “Zukunft des User Interface”. Alain Leclerc von Bonin (Digital-Shift) leitet den Abend ein mit einer kurzen Einführung. Die Interaktionsschritte in einem UI sind dazu da, herauszufinden, was der User möchte. Historisch haben sich User Interface von der Command Line zu Desktop Applications und Mobile App kontinuierlich vereinfacht. Aber selbst in Mobile Applikation muss der User erst die Logik einer App verstehen, um den richtigen Button finden, welche ihn interessiert. Will der User seinen Button suchen? Eigentlich nicht. Neuere Entwicklungen wie suchbare Apps, Spracheingabe und das Erahnen der Absicht mit Machine Learning ermöglichen es, dass der User direkt zur gewünschten Funktion kommt. Alain stellt die These, dass das UI in Zukunft mit den neuesten Entwicklungen viele Interaktionsschritte unnötig machen wird.
Alex Benincà (B-Works) zeigt, wie die grossen Technologie-Firmen über eine Trichter-Strategie anstreben, für die User den einzigen Zugriffspunkt für alles Services zu werden. In China hat es Tencent es insofern geschafft, denn der User kann von Taxi fahren, zu Menu bestellen und zahlen alles in WeChat erledigen, ohne für die jeweiligen Aufgaben eine spezielle App aufrufen zu müssen. Bei mobilen Geräten, TV, VR und AR braucht es immer noch ein Frontend mit UI. Wenn die Strategie mit dem Virtual Home Assistant kommt, kann braucht es das Frontend nicht mehr, denn das Interface ist gesprochene Sprache. Eine Firma kann sich in einer solchen Zukunft nicht mehr über das graphische User Interface , sondern muss sich über Digital Customer Engagement differenzieren.
Für Sascha Corti (Microsoft) haben sogenannte Conversational Platforms (mit Bot unterstützter Chat) eine grosse Zukunft, weil die Geräte immer kleiner werden oder gar keinen Bildschirm mehr haben. Digital Assistenten durchlaufen denselben Lebenszyklus wie die Apps von Smartphones, wo ein Bot einer App entspricht. Sascha Corti führt ein mit LUIS https://www.luis.ai/ gebauter Bot vor. Die Demo zeigte eindrücklich, wie gut der Bot die Absicht von Sascha erkannte, allerdings in der Niche von Parkplatz suchen.
Juerg Stuker (Namics) weist darauf hin, dass man diese Entwicklungen nicht zu stark aus der technischen Perspektive betrachten sollte. Wesentlich wichtiger ist, genau zu beobachten, wie sich Leute gegenüber der Technologie verhalten. Und ob sich auf Basis dieses Verhaltens solide Business Modelle bauen lassen. In Zusammenhang mit dem graphischen User Interface stellt Juerg Stuker (Namics) drei Thesen. Die erste ist, dass die graphische Benutzeroberfläche auf absehbare Zeit nicht verschwinden wird, sondern multi-modal wird wie zum Beispiel der Alexa Lautsprecher mit Bildschirm. Die zweiten These sieht voraus, dass VR den Massenmarkt nicht anspricht, AR aber schon, und neue Gesten werden dann sich etablieren. Juerg Stuker schliesst mit der dritten These, dass Sprachsteuerung da ist und bleibt. Dabei wichtig ist Intent Mapping (Absicht erkennen) – so ähnlich wie wenn Menschen erkennen was sein Gegenüber von Ihm will.
In der Plenumsdiskussion ging es um Absicht (Intent) und Kontext. Es stellt sich heraus, dass es zur Zeit noch schwierig ist, nur über Sprache ein Interface zu bauen, das immer die Absicht des Users versteht. Bei Amazon Alexa sind die unterschiedlichen Fähigkeiten, wie eine Pizza bestellen oder einen Flug buchen, sogenannte Skills. Wenn der User nun eine neue Absicht formuliert und der entsprechende Skill noch nicht auf dem Gerät installiert ist, muss der User den Namen des Skills kennen. Es gibt noch keine umfassende Plattform, die alle Bedürfnisse umfasst. Und wie Juerg Stuker meint, war das Erfinden der App eine Erleichterung, weil diese nur noch eine Funktion hatte und somit viel einfacher zu handhaben war. Die Masse aller Apps für die unterschiedlichen Aufgaben führt im Endeffekt aber wieder zu einer Überforderung. So werden von allen gebauten Apps ungefähr nur 10% von Usern wirklich gebraucht, bei Alexa Skills liegt die Zahl bei 5%
Damit solch ein unpassendes System in Europa funktioniert, bräuchte es wahrscheinlich ein dominantes Tech-Unternehmen wie Tencent. Das würde dann bedeuten, dass die von Alex Benincà erwähnte Trichter-Strategie eine Realität ist und nur noch die grossen Technologie-Firmen den universellen Zugang zum Kunden besitzen. Die Folge davon wäre, dass Anbieter ihre Sichtbarkeit wohl ersteigern müssen. Ob dies eine Realität wird, wird sich noch herausstellen, die gesellschaftlichen Folgen eines solchen Systems wären sehr weitereichend.
Aus der Designer Perspektive sind die neuen Möglichkeiten von Spracheingabe und das Erkennen der Absicht spannende Möglichkeiten, um eine Interaktion natürlicher, das heisst mehr wie eine zwischenmenschliche Interaktion zu bauen. Richtig eingesetzt lässt sich damit Komplexität reduzieren, so dass sich der User mit weniger auseinandersetzen muss, um seine Absicht zu erreichen.